Pizza, so einfach und doch so aufwändig. Wenn ich an „selbstgemachte Pizza“ denke, dann erinnere ich mich immer noch an Kindergeburtstage, bei der hoffnungslos überladene und sappschige Blechpizzen gereicht wurden. Gut, dass ich als Kind der 80iger per elterlicher Direktive einen – sagen wir mal – „gutmütigen Gaumen“ hatte.
Die TK-Varianten, die ich mir dann als junger Wilder regelmäßig reingepfiffen habe, dienten in der Rückschau auch nur der Vermeidung des unvermeidlichen Hungertodes, wobei das aufgrund der Zugabe von hochkalorischen, hopfenbasierten Erfrischungsgetränken eh nicht passiert wäre.
Die neapolitanische Pizza ist bekannt für Ihren außergewöhnlichen Rand, den weichen, dünnen Teig in der Mitte und die puristischen Zutaten in den Farben von „la bandiera tricolore“, der italienischen Flagge. Nun bin ich bereit über die Königin der Pizza zu schreiben. Warum? Weil ich sie jetzt „kann“, zumindest rede ich mir das ein. Unterschreibe ich Aussagen wie: „Aber eine gute Pizza ist doch ganz einfach“? „Am Arsch die Räuber“! Für die beste Pizza, die man machen kann, braucht es einen geilen Ofen (Check), das richtige Rezept und die richtige Anleitung (Check und grazie Vito Iacopelli, grazie Youtube) und ganz nebenbei noch die allerbesten Zutaten (Check) inklusive eines geilen Primitivo zur innerlichen Einreibung des Möchtegern-Pizzaiolo (mir).
Ach ja, die ganzen Internetleseartikel enthalten zur Beruhigung des Lesers eine Angabe mit welcher Lesezeit denn zu rechnen sei. Das eine weiß ich: „Das hier kann nen Moment dauern“. Wer eher so der Lieferando-Typ ist, der kann hier aufhören und weiter Insta scrollen.
Für alle anderen: Dann wollen wir mal (hier ein Emoji mit angespanntem Bizeps)!

Eines der Geheimnisse ist der Teig. Der benötigt schon – wie der ganze Rest des Produktes – ne Menge Liebe und Aufmerksamkeit. Ich nehme zwei Mehlsorten: Ein Tipo 00 Pizza-Mehl und ein backstarkes Manitobamehl, jeweils von „Caputo“. Wie sollte es auch anders sein: Die Mulina Caputo hat seit 1924 ihren Sitz in Napoli (deutsch: Neapel / italienisch: Napoli). Der Anteil des backstarken Manitoba-Mehls macht den Teig noch etwas brotiger und interessanter – zugleich „soft und crunchy „. Dann braucht es noch Wasser, Hefe (WENIG) und Honig.

Für den perfekten Teig mache ich einen Vorteig (Poolish) und einen Tag später den Hauptteig. Damit ich das nicht jedes Mal neu ausrechnen muss, habe ich mir einen Pizzarechner zusammengefriemelt. Da gebe ich dann einfach die gewünschte Menge an Teigballen ein und den Rest macht dann mein Cupertino-Rechner aus Shenzhen.
Es ist absolut wichtig, dass die Mengen genau eingehalten werden, da sonst die Hydration nicht mehr passt. Hydration? Das ist der Anteil des Wassers an der verwendeten Mehlmenge. Für dieses Rezept ist die Hydration 69 %. Umgerechnet sind das je 100 Gramm Wasser 145 Gramm Mehl. Und hier macht auch ein Rechner Sinn, denn der Vorteig mit 100 % Hydration enthält ja auch schon Wasser und Mehl. Das muss im Hauptteig natürlich berücksichtigt werden, so dass die Gesamthydration dann wieder 69 % ist.

Ich wiege für den Vorteig 200 Gramm Farina Tipo 00 ab und gebe das Mehl in eine Schüssel.

Es folgen 5 Gramm Trockenhefe – ebenfalls von Caputo. Hier ein kleiner Hinweis: Das geht auch mit anderen Produkten, anderen Herstellern, frischer Hefe (dann aber eine andere Grammatur), usw. ich wollte aber so nah wie möglich an das Original – wenn schon denn schon.

Nun noch 5 Gramm „Flotte Biene“, denn die Hefebakterien sind ausgesprochene Süßzähne. Jeder andere Honig ist aber genau so geeignet. Klar, kann sein, dass auch Zucker geht, aber ein bisschen Folklore hat noch nie geschadet.

Das abgewogene Wasser (hier auch 200 Gramm) wird mit in die Schüssel gegeben und dann mit einem Löffel glatt gerührt. Dass kann man sicher auch mit einem Rührgerät machen. Ich verzichte aber darauf, da von dem Vorteig dann so viel am Rührhaken klebt und sich ein einziger Löffel in der Spülmaschine irgendwie angemessener anfühlt als ein ganzes Set Thermomixgedöns.

Wenn das ganze dann so aussieht, dann lässt man den Poolish für eine Stunde bei Zimmertemperatur entspannen. Dann können die kleinen einzelligen, eukaryotischen Mikroorganismen aus dem Reich der Pilze schon mal Messer und Gabel zücken.

Wenn nach einer Stunde die Alexa bimmelt, geht es „direttamente“ – wie der Italiener sagt – in den Kühlschrank. Wie lange? 16-24 Stunden. Nicht mehr, sonst werden die Bakterien sauer und der ganze Bums fällt in sich zusammen, wie die FDP nach der Bundestagswahl.

Neuer Tag neues Glück. Der Poolish ist wunderbar fluffig und blasig. Jetzt muss er noch eine Stunde bei Zimmertemperatur aufwärmen, bevor es in die nächste Runde geht.

In der Zwischenzeit können auch schon das restliche Mehl (00 und Manitoba), das Salz und das restliche Wasser abgewogen werden. Es lohnt sich an dieser Stelle wieder der Blick auf den Pizzarechner. Ohne solche Hilfen hätte ich schon längst den Überblick verloren.

Das ist jetzt wohl eine Frage der Philosophie, aber ich schmeiße jetzt alles in den Thermomix zum Vermengen.

Ich knete aber nur ein paar Minuten per Maschine, bis sich ein Teig ergeben hat, der nicht mehr so an den Pfoten klebt.

Nachdem ich den Rührhaken vom Teig befreit habe, knete ich noch gute 5 Minuten von Hand.

Ich knete, stretche und falte den Teig, sodass schon einmal ein bisschen Luft in den Teig eingearbeitet wird (kann man mit einer Hand leider kaum fotografieren).

Es ergibt sich ein schöner glatter Teigballen.

Dieser wird jetzt mit einem Spritzer Olivenöl (natürlich extra vergine) eingerieben und für eine viertel Stunde an die Seite gestellt.

Der Teig wird jetzt weiter bearbeitet, aber nicht mehr geknetet – nur noch gefaltet. Oberste Regel: „Oben bleibt immer oben“! Ganz einfach. Der Teig bekommt noch mehr Lufteinschlüsse und die Oberfläche spannt sich. Das darf man aber auch nicht übertreiben, da sonst die Oberfläche aussieht wie Omas Fuß von unten – das will keiner.

Seht ihr schon die schönen Luftblasen im Teig? Daraus wird in ein paar Stunden der fluffige Rand 🙂

Olivenöl darf nicht fehlen. Schön vorsichtig das Bällchen einölen und dann ist die nächste Pause angesagt.

Unter einem nassen, jedoch ausgewrungenem Geschirrtuch geht der Teig nun entspannt eine Stunde. Wer mag kann jetzt schon den Mozzarella und die Soße vorbereiten, aber es ist noch genug Zeit. Wer seinen Mozzarella einfriert, der sollte ihn allerdings jetzt spätestens auftauen. Ich lege dazu den eingeschweißten Beutel in kaltes Wassser.

Tadaaa, dat Dingen hat sich mal schlank verdoppelt.

Nun ist es an der Zeit die Teigballen zu wiegen und zu formen. Da die Teigmenge im Pizzarechner exakt vorgegeben war, gibt es bei mir jetzt auch überraschungsfrei 5 gleichschwere Teiglinge – alle rund 280 Gramm.

Ich forme den Klops mit zwei Händen, wobei ich so eine Art Scherenbewegung mache und somit den Teig zu einer straffen Kugel bringe. Profis machen das wie die „Mozzarella-Macher“. Da wird dann die exakte Menge vom großen Teighaufen ausgestülpt und abgekniffen. Pfff… so weit bin ich leider noch nicht.

In der Pizzaballenbox nun die nächste Rast bis sich die Größe wieder etwa verdoppelt hat. Dann ist der Teig fertig. Diese Ballenboxen, die ich auch mit etwas Olivenöl eingeschmiert habe, sind extra welche, die in den heimischen Kühlschrank passen (gibt´s natürlich auch im Versandhandel).

So, fertig. Was für Schönheiten. Die Ballen sind wunderbar aufgegangen und nun bereit die Ihr zugedachte Aufgabe zu erfüllen.

Also, ab nach draussen und den Ofen anschmeißen. Der Pizzastein sollte so ungefähr 350 Grad haben. Für meine unzähligen internationalen Leser: Celsius 🙂

Bis der Ofen seine Zieltemperatur hat, werden die weiteren Zutaten vorbereitet. Für den Belag nehme ich San Marzano Tomaten aus der Dose. Ich hoffe mal, dass die eine italienische Nonna in Ihrem Garten mit einer geblümten Schürze geerntet und in Dose geklöppelt hat. Vielleicht ist das aber auch Ware, die in einem Supertanker aus der Volksrepublik China gekommen ist – wer weiß das schon? Fakt: Schmeckt megaintensiv nach Tomate und das reicht mir für meine Zwecke.

Ich zerdrücke die Tomaten nur per Hand und sammele die Strunke heraus. Das reicht.

Mit einer Prise Salz, etwas Olivenöl (was haben die Italiener bloß mit ihrem Olivenöl?!?) und ein paar zerrupften Blättern Basilikum ist die Pizzasoße fertig.

Den käsigen Part des Ensembles übernimmt ein geiler „Fior di Latte“. Das ist ein schnittfester Mozzarella. Den nimmt man, da der „normale“ zu wässrig ist. Das Gericht heißt ja nicht „Matsch mit Rand“.

Um die Ballen aus der Ballenbox zu heben wird ein bisschen Semola lässig über den Teigling geworfen. Ob das was bringt? Keine Ahnung, sieht aber für die sich bereits um den Ofen scharende Menschenmenge ganz gut aus.

Wichtigstes Werkzeug beim Pizzamachen: Ein ordentlicher Spachtel. Damit kann man nicht nur den Teig portionieren, sondern ihn auch verletzungsfrei aus der Plastikwanne hebeln.

Raus aus der Box, rein ins feine Semola. Der deutsche sagt Grieß, aber wir kochen hier ja kein Eisbein, sondern den heiligen Gral der Italiener (an dieser Stelle wollte ich eigentlich ein saloppes Synonym für Italiener einfügen, um den Text eine gewisse Geschmeidigkeit zu verleihen: Erwartet hab ich sowas wie „Bewohner des Land des Lächelns“, bekommen habe ich von Thesaurus im worldwideweb nur „Itaker“ und „Spaghettifresser“. Entschuldigung: Wir haben 2025 !! Ich bleibe lieber bei Italiener).

Neid, Völlerei, Habgier, Wollust, Hochmut, Trägheit, Zorn und „den Teig mit einem Nudelholz platt rollen“ – die bekannten 8 Todsünden. Also, vorsichtig wie eine Katze den Teig mit den Fingern ausbreiten. Der Rand wird dabei artig ausgespart. Und dann folgt die Magie.

Mit den folgenden Aufnahmen möchte ich den Eindruck vermitteln, als könnte ich die Pizza behände durch die Luft wirbeln – kann ich aber nicht. Es fühlt sich eher wie Unfall an, führt aber auch zum Ziel.

…wirbel, wirbel….

…noch mehr Gewirbel.

…und dann Soße. Nicht zu viel. Sonst gibts Mecker (wegen Matsch).

Ein bisschen Fior di Latte…

…etwas Parmesan darüberhobeln und gerne noch etwas Olivenöl. Das hilft beim Garen.

Nun wird die Pizza auf die Pizzaschaufel befördert. Dazu lupft man den Teig leicht an und schiebt beherzt die Schaufel unter das fragile Gebäck.

Am besten geht das mit einer Schaufel mit Löchern. Das hilft auch noch dabei überschüssiges Mehl und Semola loszuwerden. Das verbrennt sonst nämlich auf dem heißen Pizzastein.

Man kann jetzt auch noch ein bisschen die Form korrigieren oder die Pizza nach belieben vergrößern. Wenn man dabei nicht zu grobschlächtig ist, geht auch nichts kaputt.

Und jetzt gehts endlich ab in den Ofen.

Mein Ofen hat einen Drehteller. Das ist ungemein praktisch, denn das erspart das manuelle Drehen der Pizza. Die Ofen sind ja nicht überall gleich heiß.

Das ganze geht auch echt fix. Viel mehr als zwei Minuten braucht es nicht. Also immer schön dabei bleiben.

Tadaa. Noch etwas Olivenöl, Parmesan und noch etwas Basilikum.

Der Teig ist schön aufgegangen und echt lecker.
Fazit: Das ganze ist schon ein kleines bisschen aufwändig, aber es lohnt sich. Wir machen natürlich auch weiterhin Salami, Thunfisch und Co, aber die neapolitanische Variante ist definitiv ein fester Bestandteil unseres Pizza-Repertoires geworden – ein Klassiker ohne viel Schnick-Schnack.
…und wenn Du es übrigens bis hier geschafft hast, dann hast du es geschafft diesen viel zu lang gewordenen Artikel mit 49 Bildern, 1803 Wörtern und 10 Minuten Lesezeit komplett zu lesen 🙂 Danke dafür.
In diesem Sinne: einen guten Appetit !!